So oder so ähnlich könnte man das Brieftaubenjahr bei den Sportfreunden der SG Tim und Uwe Müller aus Herbstein beschreiben. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Der Taubensport kann nicht nur Schattenseiten haben, sondern auch richtig schmerzhaft sein. Unser Züchtergespann ist aus den Reportagen der letzten Jahre allen in Deutschland bestens bekannt. Im letzten Jahr (2015) flogen 15 ihrer besten Witwer sage und schreibe 167 Preise!!!! Doch was war in diesem Jahr? Was ist passiert? Was nun kommt, dürfte einigen Züchterfreunden bekannt vorkommen, und ja, es trifft auch die Topspieler in Deutschland.
Es sollte ein ganz normales Flugjahr werden, aber es kam anders. Doch der Reihe nach. Mit 50 Witwern wollte die SG Tim und Uwe Müller die neue Saison 2016 starten. Nachdem die Tauben eigentlich gut durch den Winter gekommen waren und die Saisonvorbereitung in vollem Gange war, stand der jährliche Besuch bei einem spezialisierten Tierarzt (Marien) an. Die Tauben sind in einem Topzustand, so die Diagnose vom Fachmann. Der Vorbereitung sollte damit also nichts im Wege stehen und so wurde natürlich am erfolgreichen System der Vorjahre nicht gerüttelt. Der Anpaarungstermin wurde wieder so gewählt, dass die Tauben überbrüten und ab dem 2. Vorflug die Witwerschaft beginnt.
Doch so groß die Vorfreude auch war, wurde die Euphorie langsam gebremst. Die Tauben kamen augenscheinlich nicht so richtig in Schwung. Bis schließlich Tim meinte: „Vadder, die Vögel kommen nicht richtig in Tritt.“ War es das kalte und nasse Frühjahr? War es dem schlechten Training geschuldet, das wegen des ständigen Wetterwechsels nicht wie gewohnt durchgeführt werden konnte?
Auch die ersten Preisflüge waren schließlich nicht wie gewohnt. Die Leistung der vergangenen Jahre konnte nicht gezeigt werden. Die gleichen Tauben, die 2015 überragend geflogen waren, waren plötzlich nicht im Stande, ordentlich zu konkurrieren. Doch was macht ein Vollblut-Taubenzüchter? Klar, es wird weiter gekämpft um jeden Preis. Bis Mitte Mai – ein Trainingsflug sollte nun endgültig Gewissheit bringen. Das Ergebnis: Bei einem Auflass aus 60 km Entfernung kamen 18 Vögel bis abends nicht zurück und trudelten erst am anderen Morgen nach und nach ein. Nach einer kurzen Kur für die Atemwege sollte alles besser werden. Dachte man(n) … Es kam aber anders. Durch diese kurzzeitige Gabe von Medikamenten passierte genau das, wovor viele fachkundige Tierärzte immer warnen: Unbemerkt vermehren sich die schädlichen Erreger immer mehr. Nachdem nun bereits 5 Toptauben mit 59 Preisen aus dem Vorjahr ausgeblieben waren, wurde die Reise eingestellt. Auch ein Gespräch mit Wolfgang Roeper, der den beiden geraten hatte, die Tauben nicht mehr zu reisen, war dabei sehr hilfreich. Die Sportfreunde entschlossen sich, die Tauben gründlich zu checken, und traten dafür die Reise zu Dr. Warzecha an.
Diagnose: Chlamydien, Coli und Kokzidien!
Eine niederschmetternde Diagnose für die beiden. Bei einem persönlichen Gespräch erklärte Dr. Warzecha, dass es sich in diesem Jahr um sehr aggressive Kokzidien handelt, diese seien nur sehr schwer zu behandeln. Um den Bestand von den Chlamydien zu befreien, mussten 30–40 Tage angesetzt werden. Im Anschluss an die anstrengenden Kuren wurden die Tauben mit Hilfe der Firma Röhnfried wieder aufgebaut. Hier kam vorzugsweise das Produkt Bt-Amin forte zum Einsatz. Es enthält hochdosierte Aminosäuren, Elektrolyte und B-Vitamine in einer definierten Zusammensetzung. Die essentiellen Aminosäuren sind leicht verfügbar und stellen somit während Medikamentenkuren und in der Reisezeit eine optimale Entlastung dar. Außerdem wurde Gervit W verwendet, um den Stoffwechsel zu fördern und mit seinen 18 Vitaminen einen Vitaminmangel auszugleichen.
Eine regelmäßige Gabe von Entrobac während einer Kur ist das A und O, denn es enthält probiotische Bakterien und spezielle Prebiotika, die für eine optimale Besiedlung der Darmflora benötigt werden. Entrobac eignet sich bestens zur Darmsanierung während oder nach Belastungen, Futterumstellungen, Stressphasen und Behandlungen. Der enthaltene Bakterienstamm ist gegen viele Antibiotika stabil und deshalb ist Entrobac bestens zum Darmaufbau während und nach antibiotischen Behandlungen geeignet. Um den Darm der Tauben zu schützen, wurde während und nach der Behandlung regelmäßig Jungtierpulver eingesetzt.
Nun lag der Fokus auf den Jungtierflügen. Die Jungen wurden perfekt vorbereitet. Doch auch hier – wie bei vielen Kollegen in Deutschland – brach nach dem ersten RV-Flug die Jungtierkrankheit aus. Kaum hatte man die Sache im Griff, sollte der nächste Tiefschlag folgen. Ein Flug von Rottendorf, 100 km: 90 Tauben wurden eingekorbt und es kam, wie es kommen musste. Über 9 Stunden Konkurs und es fehlten den Müllers 42 Stück. Dies war für viele unerklärlich, hatte doch eine andere Regionalgruppe nur 10 Minuten früher aufgelassen und der Flug lief glatt mit einer Preiszeit von nur 10 Minuten. Taubensport kann bei einem solchen Jahr sehr anstrengend sein.
Soll unser Hobby den Züchtern eine Entspannung zum beruflichen Alltag sein, ist es vielerorts nach einem solchen Reisejahr aber doch nur Frust und Enttäuschung. Dies zieht sich leider durch ganz Deutschland. Sollte vielleicht einmal das System des Verbandes überdacht werden? Wer weiß …
Trotzdem gibt man in Herbstein nicht auf. Im kommenden Jahr will die Familie Müller mit ihren Neueinführungen wieder voll angreifen. Man holte sich Verstärkung bei dem holländischen Spitzenschlag Dereycke-Schieman. Hier wurde bestes Vandenabeele-Blut eingeführt, das nun direkt im Reisekorb getestet werden soll. Die Tauben der alten Basis Louis „618“ x Micheline „1848“ bleibt bestehen. Man wäre ja schlecht beraten, diese Tauben aus dem Bestand zu nehmen. Immerhin befruchtet der Louis „618“ mit seinen 13 Jahren noch jedes Ei. Diese Topgesundheit eines der besten
Zuchtvögel des Schlages kombiniert mit den Neueinführun gen wird bestimmt dafür sorgen, dass es im kommenden Jahr bei den beiden wieder so richtig MÜLLERT …