Stippvisite im Tauben-Schlag von Alfred Berger
Aprilwetter pur an diesem zweiten Sonntag im April. Letztes Wochenende 20° Grad und T-Shirt Wetter, dieses Wochenende Schneefall, Regen und Kälte. Trotzdem, der “Tag der Brieftaube” findet nur einmal im Jahr statt und zusammen mit gut 100 anderen Züchtern deutschlandweit, hat auch Alfred Berger in Winseldorf seinen Schlag heute für interessierte Besucher geöffnet.
Blick auf den Schlag der Jungtauben
In einem Jungtauben-Abteil sind die bereits im Januar gezüchteten Jungen untergebracht, die von klein an täglich Freiflug erhalten und auch schon ordentlich trainieren und längere Zeit außer Sicht fliegen. Hinzu kommen neben der “zweiten Runde” eigener Jungen Neuzugänge aus anderen Schlägen, die erst noch in Winseldorf “Fuß fassen” und sich an ihren neuen Heimatstandort gewöhnen müssen. Dazu benötigen sie zu unserem Erstaunen nur drei Tage oder sogar weniger.
Um den Tieren den Anflug zu erleichtern ist eine provisorische “Landebahn” aufgebaut. Der nette Herr im Hintergrund entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Schaufensterpuppe. Ihr Sinn: die Tiere an den Anblick und die Anwesenheit von Menschen gewöhnen und – ganz pragmatisch – den Greifvogel fernhalten.
Ein “Zausel”, “Tintenflecken” & “Tauben-Personalausweise”
Um den anwesenden Besuchern einen ersten Eindruck zu vermitteln, holt Alfred Berger nacheinander drei junge Tauben aus dem Schlag und erklärt vor allem denjenigen, die bisher noch keinen Kontakt zu Brieftauben hatten, worauf man das Augenmerk richten kann: Taube Nummer eins sieht aus, wie ein kleiner Zausel. Es stehen lauter zarte gelbe Flusen aus dem Gefieder heraus – Reste des Kükenflaums.
Taube Nummer zwei weist an Kopf und Flügelenden eine auffällige rotbraune Färbung auf, das restliche Federkleid ist fahl. Laut Alfred Berger “eine Rotbraune aus dem Schlag von Tim und Uwe Müller im hessischen Vogelsberg.” Spontaner Gedanke “klar, die haben da unten ja auch rotbraune Kühe, während wir hier im Norden nur die Schwarzbunten kennen”.
“Bei sehr jungen Tauben”, so Alfred Berger, “sei es kaum möglich, das Geschlecht schon zu erkennen.” Die “Tintenflecken” auf den Flügelspitzen sind ein erstes Anzeichen dafür, dass es sich bei dieser Taube um einen Vogel und nicht um ein Weibchen handelt.
Taube Nummer drei stammt aus dem Schlag von Frank Book in Niedersachsen. Sie ist auch für unsere Augen auffallend schön gezeichnet und streckt in der Hand des Züchters die Beine elegant nach hinten. “Für viele Züchter ein Zeichen dafür, dass in dem Tier Potential steckt”, bemerkt der Hausherr nicht ohne Stolz.
Alle Tauben im Jungtierschlag sind bereits beringt: Am rechten Bein tragen die Tiere einen farbigen Ring mit ihrer Verbandsnummer, eine Art “Tauben-Personalausweis”, am linken einen Ring mit der Telefonnummer des Eigentümers. Er kann so – im Falle eines Verlustes – schneller benachrichtigt werden, wenn das Tier gefunden wird.
Andenken, Trophäen und mehr
Im Erdgeschoss seines Reiseschlages hat der Züchter einen Tisch mit Andenken, Trophäen, Medaillen, Broschüren und mehr zusammengestellt: Darunter eine “Präsidenten-Medaille” aus dem Jahr 2015 für die beste Gesamtleistung in allen Klassen und diverse Zeitmesser aus den vergangenen Jahrzehnten. “Früher”, so Alfred Berger, “hatte man Taubenuhren, wuchtige Holzkästen, die stanzten die die Ankunftszeit auf einen Papierstreifen, den man dann im Verein abgeben musste. Bis die Siegerlisten dann feststanden, das dauerte. Heute hat man digitale Zeitmesser und die Tiere tragen einen Chip am Fuß. Die Ergebnisse stehen quasi sofort online.”
Das Zuchtabteil im Reiseschlag sorgt für Entzücken
Im Zuchtschlag sorgt unsere Ankunft für eine gewisse Unruhe. Die Tiere sind zwar an Menschen gewöhnt, Gruppenführungen bilden aber eher die Ausnahme. Wir erfahren, dass ein Weibchen pro Gelege immer zwei Eier legt. Und zwar im Abstand von zwei Tagen. “Das erste Ei”, so Alfred Berger, “wird nach dem Eisprung, der schon um den sechsten Tag nach dem Anpaaren erfolgt befruchtet und 44 Stunden später gelegt. Vom Eisprung der für Vögel typisch dotterreichen Eier bis zum Legen, was meist in den frühen Abendstunden erfolgt, vergehen also runde 44 Stunden. Das zweite Ei kommt – wie schon erwähnt – zwei Tage später dazu. Meist am frühen Nachmittag und erst jetzt beginnen die Weibchen zu brüten.”
Bei den Tauben brüten beide Tiere abwechselnd, nachts das Weibchen und tagsüber das Männchen, die unter Experten “Vogel” genannt werden. 17 Tage später schlüpfen die Jungtiere und werden in den ersten Tagen von den Elterntieren mit der sogenannten Kropfmilch versorgt.
Reisevögel und Reiseweibchen haben eigene Abteile
“Vor Beginn der Reisezeit Ende April”, erklärt uns Alfred Berger, “trenne ich die Weibchen und die Vögel. Ich habe hinsichtlich der Motivation und der Reiseleistung gute Erfahrungen damit gemacht. Zusätzlich habe ich die Weibchen bis vor wenigen Tagen abgedunkelt um die Mauser positiv zu beeinflussen und etwas mehr Ruhe in den Schlag zu bringen.”
Tipp vom Züchter: “Gegen den feinen Gefiederstaub, der sich überall absetzt sprühe ich den Stall einmal in der Woche mit Röhnfried Avibac Stabilizer aus!”
Avibac Stabilizer bildet eine stabile und probiotische Umgebung aus, indem es diese mit sicheren, probiotischen Bakterien besetzt. Dahinter steht ein Konzept, dass dazu beitragen soll, den Infektionsdruck im Schlag zu senken.
Tag der Brieftaube 2019 – ein Grund “Danke” zu sagen
Am Ende des Besuchs sind sich alle einig: Brieftauben haben nur äußerlich Ähnlichkeit mit den Tauben, die uns in der Stadt im allgemeinen begegnen und es ist absolut faszinierend, sich mit ihnen zu beschäftigen.
Die Fähigkeit, sich über hunderte von Kilometern zu orientieren und wieder nach Hause zu finden sowie die weiten Entfernungen, die die Tiere – noch dazu ohne weitere Nahrungsaufnahme – zurücklegen, nötigen allen Anwesenden gehörigen Respekt ab.
Danke an Alfred Berger und alle weiteren Züchter, die am “Tag der Brieftaube” deutschlandweit ihren Schlag für interessierte Besucher geöffnet haben!
©H-J. Lührs